ARCHITEKTUR.

Betrachtet man die Wallfahrtskirche Mater Dolorosa in Driesch in ihrer heutigen Form, sind nur wenige Spuren der vergangenen Jahrhunderte sichtbar. Lediglich die Position in der Ortslage und vereinzelte Hinweise im örtlichen Kontext lassen die Bedeutung der Vergangenheit erahnen. Das Gnadenbild aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, ein Schlussstein im Chor mit der Zahl 1478 sowie die große Glocke von 1496 sind unter anderem die heute noch fassbaren Zeichen der Geschichte.

 

Mit der Stiftung Gotthard Haust von Ulmen an den Eremiten Bruder Clais Helmis 1447 und weiterer Stiftungen von Rittern der Umgebung sowie dem gewährten Ablaß durch Papst Sixtus IV (1414 - 1484) begründet sich die Errichtung einer Wallfahrtskirche in Driesch (Ostchor 1478, Kirchenschiff und Turm bis 1496). Der dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und ein Brand im Jahre 1687 hinterlassen Spuren. 1691 wird die Kirche wieder aufgebaut. 1750 eine Orgelempore (Mannhaus) und 1755 ein Kreuzweg errichtet; die Wallfahrten erleben ihre zweite Blüte. Nach der französischen Revolution (1789 - 1799) entgeht die Kirche 1811 knapp der Versteigerung auf Abbruch. 1868-1869 wurden Schäden an der Kirche beseitigt und 1928 erfolgt die Bestandssicherung durch die Rheinprovinz. 1971/1972 erfolgen umfangreiche Umbauten und 1984 wurde die Wallfahrtskirche Mater Dolorosa unter den Schutz der Haager Konvention gestellt.

Baugeschichtliche Zuordnung

Die baugeschichtliche Zuordnung der Marienkirche als spätgotischer Sakralbau unterliegt insofern einer Besonderheit, als das sie zu den weniger häufig vorkommenden sogenannten Einstützenkirchen gehört.

 

Eine genaue baugeschichtliche Abgrenzung ist nicht einfach vorzunehmen, da die mittelalterliche Architektur von den vielfältigen gestalterischen Absichten einzelner Epochen, die nahtlos ineinander übergehen, geprägt ist. Der religiöse Grundcharakter mittelalterlicher Architektur, geprägt durch das Christentum und die Autorität der Kirche ist allerdings allen Epochen gemein.

 

Das zerfallende römische Reich (509 v. Chr. - 476 n. Chr.) bedingt gleichsam eine Abkehr von antiken Bauformen. In der romanischen Architektur (1.000 - 1.200 n. Chr.) bestimmen klare geometrische Formen und das Zusammenfügen verschiedener Baukörper um einen Zentralraum das Bild der Sakralbauten. Die Gotik (1.250 - 1.492 n. Chr.), ursprünglich eine regional begrenzten Bauschule, verwandelt als europäischer Universalstil grundlegend Sakral- und Profanbauten und findet in der Hochgotik mit übersteigerten Raumverhältnissen- und Proportionen ihren Höhepunkt. Die Bettelorden des 13. Jahrhunderts wirken in die Gesellschaft durch Seelsorge und Predigt und prägen gleichsam eine Vereinfachung in der Architektur der Sakralbauten und einer Angleichung an die Zweckbestimmung mit weiten übersichtlichen Räumen. Die Kirchen folgen oftmals den Vorbildern der Ordensgemeinschaften, so dass es zu regional einzigartigen Lösungen kommt.

 

Die Wallfahrtskirche in Driesch bildet ebenfalls eine regionalspezifische Lösung ihrer Zeit. In der Spätgotik finden sich an Mosel und Saar und in der Eifel vermehrt zweischiffige Kirchenräume sowie Einstützenkirchen auf regional begrenztem Raum. Dies ist möglicherweise auf den Einfluss von Kardinal Nikolaus von Kues (1401 -1464) zurück zu führen, der die Hospitalkirche St. Nikolaus in Kues (1450 - 1457) als Einstützenkirche errichten lies. Das Ansehen des Kardinals und sein persönliches Verhältnis zu den Trierer Erzbischöfen wird vermutlich für die Verbreitung des Bautypus gesorgt haben. In der genannten Region lassen sich 37 Einstützenkirchen, von denen noch 17 erhalten sind, feststellen. Bei dieser Art der Hallenkirchen trägt ein einzelner, in der Mitte stehender Pfeiler, die meist vier Gewölbe der beiden Schiffe.

Rundgang

Nähert man sich der Wallfahrtskirche Mater Dolorosa in Driesch aus Westen, von der Ortsmitte, der „Brücke“, ist lediglich der Kirchturm vor dem Nordschiff zu sehen. Der Blick auf das gesamte Kirchenschiff ist durch die Bäume nur zu erahnen. Die beiden Portalstufen führen zum hölzernen Portal mit einfachem bleiverglastem Türbogenfeld. Die Eingangshalle vor dem Südschiff mit Netzgewölbe führt zum inneren Portal, umfasst von profilierten Archivolten (Bogenläufe).

 

Unter der Orgelempore, dem „Mannhaus“, die 1750 errichtet wurde, fällt der erste Blick durch das Südschiff auf den Bitter-Leidens-Altar im Südchor und das Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes auf der Schildmauer zwischen den beiden Schiffen. Die Empore ruht auf vier geschwärzten hölzernen Säulen. Durch die Empore wird der eigentlich beabsichtigte Raumeindruck der Einstützenkirche, als Zentralraum mit der Gleichwertigkeit in alle Richtungen eingeschränkt.

 

Die Wahrnehmung der eindrucksvollen, wohlproportionierten Gewölbefelder von der Mittelstütze ausgehend ist nach einigen Schritten in das Kirchenschiff möglich. Von der achteckige Mittelstütze mit angedeuteter Basis steigen elegant die geschwungenen Gewölberippen ohne Ansatz auf. Von den figürlichen Wandkonsolen ausgehend erstrecken sich die Schildbögen über das Netzgewölbe des annähernd quadratischen Schiffes. Die Knotenpunkte der doppelhohkehligen Rippen sind alle besetzt und von filigraner Ornamentik umgeben. Die Schlusssteine des Schiffes bilden das Wappen des Erzbischofs Johann II. von Baden, dem Trierer Kreuz und verschiedener Wappen. Die zweibahnigen Fenster des dreiachsigen Schiffes sind im oberen Abschluss rundgeschlossen und mit unterschiedlichen Maßwerkfiguren, teilweise lilien- und blattförmig, ausgestattet. Im Rahmen der Sanierung in den 1970er Jahren sind die historischen bleiverglasten Fenster ausgebaut worden und bis heute verschwunden. Außerdem wurde ein Volksaltar aus Basalt sowie die Aufstellung des Gnadenbildes in einer Säule nach Art des Löffelkreuzes errichtet.

 

Der Südchor, einst Kapelle für das Vesperbild, hat auf dem Knotenpunkt der Gratmittelachse ein Hochrelief einer Kreuzigungsgruppe und einer Muttergottes mit dem Kinde sowie des hl. Petrus . Außerdem sind das Wappen des Erzbischofs Johann II. von Baden, das Trierer Kreuz und das Wappen Haust von Ulmen zu sehen sowie ein Schlussstein mit der Jahreszahl 1478 und einem Steinmetzzeichen. Die zweibahnigen Fenster des Chores haben im Gegensatz zum Kirchenschiff vierpäßige und zweischneußige Maßwerkfiguren. Mittelpunkt des Südchores ist der riesige barocke, dreiteilig gestaffelte Bitter-Leidens-Altar von 1672 des Schreinermeisters Bartholomäus Hammes aus Alflen. Der Schnitzaltar stellt in elf Hochreliefs das Leiden Christi dar.

 

Zwischen Südchor und Nordchor ist am Mittelpfeiler ein Teil der barocken Fresken freigelegt und zeigt einen Ausschnitt der künstlerischen Pracht, mit der die Wallfahrtskirche einst ausgestattet war. Der Nordchor mit Zugang zur Sakristei gewährt den Blick zurück in das Hauptschiff. Auf dem Weg zurück ist an der Seitenwand des Südschiffes der 1972 von Bildhauer Rudolf Müller aus Lutzerath gestaltete Kreuzweg aus Holz zu sehen. Seit 2003 sind die Reliquien der Wallfahrtskirche an der Seitenwand des Nordschiffes präsentiert und bestehen aus der kreuzförmigen Darstellung der Reliquien und einer Bronze des gekreuzigten Korpus Christi am gegenüberliegenden Mittelpfeiler, gestaltet von dem Künstler Guy Charlier aus Trier.

 

Der im Jahre 1971 gestaltete Aufgang aus Basalt an der Westseite führt zur Orgelempore, dem Mannhaus. Die Orgel wurde 1751 von Johann Theodor Claus aus Cochem geliefert. Die alten Pfeifen tragen ein Zeichen von Balthasar König aus Münstereifel/Köln. Direkt an der Brüstung ist die ganze Absicht der Gestaltung des Zentralraumes nach Vorbild der Kapitelsäle der Klöster Böhmes, Schlesiens und Österreichs zu erkennen. Vermutlich hat Nikolaus von Kues die Idee während eines Aufenthalts 1451 in der Franziskanerkirche in Salzburg mitgebracht: Die Übersichtlichkeit des Raumes, die Gleichwertigkeit in alle Richtungen und das wohl proportionierte Verhältnis von Länge und Breite zur Höhe lassen sich hier auch ohne den Emporeneinbau und die Umgestaltung aus den 1970 Jahren erahnen.

 

Durch eine kleine Tür an der Westseite des Mannhauses gelangt man in den Glockenturm und oberhalb der Gewölbe. Nur im Turmaufstieg und im Dach ist der Bruchstein des Mauerwerkes zu erkennen. Der Turmaufstieg führt zum Geläut der Wallfahrtskirche mit der großen Glocke aus dem Jahre der Fertigstellung 1496 und der kleinen Glocke aus dem Jahre 1692.

 

Verlässt man Wallfahrtskirche gelangt man zur rechten Hand an ein eisernes Tor, das Zugang hinter das Gebäude gewährt. Hier befinden sich die 1755 gefertigten und auf die Mauer aufgesetzten Kreuzwegstationen aus Sandstein des Bildhauers Johann Heinrich Nilles aus Wittlich, die 1987 von Bildhauer Rudolf Müller aus Lutzerath saniert und teilweise erneuert wurden.

 

Lässt man entlang der Kreuzwegstationen den Blick Richtung Kirche wandern, erkennt man an diesen Seiten, wie auch an der Straßenseite, die zwei- und dreifach abgestuften überputzten Strebepfeiler des Schiffes und der Chöre.

 

Die Wallfahrtskirche in Driesch hat in den vergangenen Jahrhunderten zunehmend an Bedeutung verloren. Durch Umstrukturierungen auf Bistumsebene und Zusammenlegung von Pfarreien zu Verwaltungseinheiten steht die nächste bedeutsame Änderung bevor, die auch Auswirkungen auf Sanierung und Instandsetzung hat. Als Filialkirche der Pfarrkirche St. Stephanus in Lutzerath wird die Kirche immer seltener zur Heiligen Messe genutzt. Die Architektur der Kirche mit ihren harmonischen Proportionen spricht, trotz der radikalen gestalterischen Änderungen in den Jahrhunderten, immer noch für sich. Dies spüren die Gläubigen der Gemeinde und den umliegenden Orten, die Gäste und die Pilger zur Wallfahrt, zu Festämtern, zu Hochzeiten und zu Jubiläen

Text: 09/2011 von Peter Thome, Architekt, Driesch/Koblenz.
Fotos: Volker John, Driesch.

Quellen:

Verschiedene Autoren: 900 Jahre, Chronik Lutzerath/Driesch, Zwei Dörfer schreiben Geschichte, 1997. 1. Auflage. Geiger-Verlag, Horb am Neckar 1997.

Walter Pippke/Ida Leonberger: Die Eifel. Geschichte und Kultur des alten Vulkanlandes zwischen Aachen und Trier. 5., aktualisierte Auflage. DuMont Reise Verlag, Ostfildern 2006.

Werner Müller/Gunther Vogel: dtv-Atlas zur Baukunst. Tafen und Texte. Band 2. Baugeschichte von der Romanik bis zur Gegenwart. 7. Auflage. dtv-Verlag, München 1992


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 Öffnungszeiten

Für Besichtigungen ist unsere Kirche wie folgt geöffnet:

bei Schnee und Eisglätte bleibt die Kirche geschlossen. Winterdienst nur zu Gottesdienstzeiten.

Kirchenführungen können im Kath. Pfarramt Ulmen, Telefon: 02676-95 10 70 oder unter: pfarramt.info (at) kirche-ulmen.de vereinbart werden.

 Pilgerstempel

Den Pilgerstempel finden Sie im Eingangsbereich der Kirche.

 Kulturdenkmal

Seit 1984 steht die Marienkirche Driesch unter dem Schutz der Haager Konvention für Kulturgut.